Hallo Nadine, du engagierst dich seit 20 Jahren in Afrika und investierst Zeit und Geld – was treibt dich an?
Ich bekomme so viel mehr zurück als ich investiere: All die Personen, die ich kennen lerne, die andere Kultur, in die ich eintauche, die neuen Erfahrungen, die ich sammle – all das gibt mir Kraft und Befriedigung. Und ich liebe Afrika! Wegen den Menschen, den Farben, der Natur, dem Geruch. Aber vor allem wegen dem Lächeln der Leute dort. Trotz ihrer oft schwierigen Umstände haben sie immer ein Lächeln im Gesicht…
… besonders nachdem du ihnen geholfen hast. Deine Hilfe ist ja eine medizinische, worum geht es genau?
In Benin leiden viele Frauen an sogenannten Geburtsfisteln. Dies sind Verletzungen, die bei einem stark verzögerten Geburtsverlauf ohne fachliche Betreuung entstehen können. Es entsteht dabei ein Loch zwischen Scheide und Blase oder zwischen Blase und Rektum. Die Auswirkungen sind dramatisch: Durch die verursachte Inkontinenz werden Frauen häufig von ihren Familien verstossen, was natürlich mit einem grossen körperlichen und seelischen Leidensdruck verbunden ist.
Wie könnt ihr diesen Frauen helfen?
Eine chirurgischer Eingriff ist in diesen schweren Fällen unumgänglich, was sich die meisten aber nicht leisten können und da kommt Dr. Charles-Henry Rochat und die Geneva Foundation for Medical Education und Research in Spiel (GFMER). Die Stiftung ermöglicht die Operationen und schenkt den Frauen die Möglichkeit einer Rückkehr ins aktive Leben. – Und dabei helfe ich mit.
Was tust du genau?
Ich mache alles und nichts (lacht). Meine Aufgabenpalette ist sehr breit und abwechslungsreich. Ich bin während den Operationen anwesend und unterstütze den Chirurgen. Dabei stelle sicher, dass alles benötigte Material und die Instrumente da sind und die Prozesse reibungsfrei ablaufen. Meine Erfahrung als leitende Krankenschwester hilft mir da sehr. Daneben schule ich die Krankenschwestern vor Ort in der Aufbereitung der Instrumente für die Operation und der korrekten Reinigung und Sterilisation des Materials nach dem Eingriff. Ich habe aber auch den Gesamtüberblick und schaue, dass das Tagesprogramm realistisch geplant ist und nicht zu viele Operationen für einen Tag angesetzt sind. Ich kümmere mich um die Wartung der Instrumente, Optiken und Geräte und versuche Ersatz zu organisieren, falls nötig.
Welchen Herausforderungen begegnest du bei deinen Einsätzen in Afrika?
Nun, ganz vielen. Vor allem ist vieles ganz anders als wir es hier in der Schweiz gewohnt sind. Man muss sich auf den Standard des Landes einlassen und ist teilweise stark auf sich allein gestellt. Gibt es beispielsweise ein technisches Problem mit dem Endoskopie-Turm kann ich nicht einfach die Service Hotline anrufen, sondern muss selbst eine Lösung finden. Dabei hat die Sicherheit des Patienten höchste Priorität. Die grösste Herausforderung ist aus meiner Sicht also, mit den gegebenen Mitteln das Bestmögliche aus jeder Situation heraus zu holen.
Ist diese Hilfe nachhaltig? – Respektive was passiert in Benin wenn du und das ganze Team wieder abreisen?
Ja, Hilfe zur Selbsthilfe ist ein ganz wichtiger Punkt. In all unseren Einsätzen der vergangenen Jahre haben wir so viele lokale Chirurgen und Krankenschwestern geschult, dass die Operationen der Geburtsfisteln auch ohne unsere Präsenz einwandfrei funktionieren. Wir beginnen nun während unserer Aufenthalte mehr und mehr verschiedene urologische Eingriffe, wie z. B. Steinentfernungen, vorzunehmen und die lokalen Ärzte auch darin zu schulen.
Das klingt alles nach viel Arbeit und viel Verantwortung. Das ist schon ein aussergewöhnlicher Verwendungszweck für deine Ferientage.
Das ist richtig, aber für mich stimmt das so. Ich muss ergänzen, dass ich neben meinen Ferientagen auch von ANKLIN zusätzlich 5 Tage bezahlten Urlaub erhalte – das ist eine schöne Geste.
Dennoch, du investierst auch eigene Ferientage. Während andere am Strand liegen arbeitest du…
… du kannst dir nicht vorstellen, wie bewegend es ist, am Ende einer Reise das Lächeln der Frauen zu sehen und ihre Dankbarkeit zu spüren. Das ist mehr als eine Entschädigung für ein paar Ferientage.